Eine Frage der Wahrnehmung
Seit vier oder fünf Monaten kenne ich Nicolas. Nicolas ist gebürtiger Spanier, Anfang 60 und besucht wie ich seit etwa dieser Zeit mittwochs den Gebetskreis der Biblischen Gemeinde in Bretten.
Natürlich sitzen wir auch dort immer mit gebührendem Abstand und mit Maske. Kürzlich war ich mit meiner Frau Sabine samstags beim TOOM. Sabine kannte Nicolas nicht. Ich habe ihn aber sofort erkannt. „Guck mal, da ist Nicolas“, sagte ich. Wir gingen hin und ich stellte die beiden einander vor. Wir unterhielten uns kurz und dann ging jeder wieder seinen Besorgungen nach.
Einige Tage später war wieder Gebetstreff und ich fuhr mit dem Rad hin. Kurz vor dem Ziel überholte ich einen älteren Mann, ebenfalls auf dem Fahrrad, grüßte und fuhr vorbei. Wie überrascht waren wir beide, als wir uns wenige Sekunden später auf dem Parkplatz der BG wiedertrafen.
Folgende lustige, jedoch paradoxe Situation war entstanden: Nicolas und ich kannten uns bisher nur mit Maske und hatten uns aufgrund dessen beim Toom sofort erkannt. Auf dem Fahrrad aber, ohne Maske, waren wir uns beide völlig unbekannt geblieben.
Was ist daran paradox? Nun, das unechte, unnatürliche Aussehen des jeweils anderen hatten wir erkannt, das echte, natürliche Aussehen jedoch nicht.
Für mich wurde diese kurze Begebenheit sofort zu einem Gleichnis. Viele Menschen verbergen sich nicht nur real durch die Pandemie, sondern auch im übertragenen Sinn auch schon vor der Pandemie hinter Masken. Sie wollen nicht in ihrer vollen Realität als Personen von anderen erkannt werden, sondern stellen sich als die Person dar, als die sie gerne von anderen angesehen werden wollen. Das macht wohl jeder, der eine mehr, der andere weniger, ich nehme mich da selbst nicht aus.
Das aber führt dazu, dass wir uns gegenseitig in der Regel nur als zum Teil unechte Personen kennen. Gleichzeitig wünschen sich viele Menschen trotzdem insgeheim, als die Person von anderen angenommen und geliebt zu sein, die man wirklich ist. Ohne Bedingungen, ohne Manipulation, ohne Maske.
Die Spielchen aber, die wir als Menschen voreinander spielen, funktionieren bei Gott nicht. Dem können wir durch keine Maske in keinem Bereich unseres Lebens etwas vormachen. Da ist nichts, was vor Ihm verborgen ist. Er liebt uns, schaut uns aber auch direkt ins Herz.
Das kann sowohl erschreckend als auch tröstlich sein. Ein gutes Beispiel ist die Erwählungsgeschichte von David. Der Prophet Samuel hatte sich bei Isai in Bethlehem eingeladen. Voll Stolz führte Isai, ganz der stolze Vater, sieben Söhne vor, einer schöner und stattlicher als der andere, jeder der potenzielle neue König. Aber Gott verwirft einen nach dem anderen, denn ihr Herz war nicht geeignet, ein König nach Seinem Herzen zu sein.
Schließlich wird der jüngste Sohn, David, vom Schafe hüten geholt. Auch er sieht gut aus, aber bei ihm stimmt auch das Herz und so wird er von Samuel perspektivisch zum König nach Saul gesalbt.
Nehmen wir uns dieses Beispiel zu Herzen!
Lasst uns weniger darauf achten, anderen und Gott etwas vorzuspielen und umso mehr darauf bedacht sein, echt zu sein und mit der Wahrhaftigkeit unseres ganzen Menschen Gott zu erfreuen.
Denn auch Er spielt uns nichts vor.
Amen
Lied: Zeig mit dein Gesicht - Selfora Nelson