Wenn ein Glied leidet ... Wie gehen wir in den westlichen Kirchen und als Christen mit dem Thema "Christenverfolgung" um?

„Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“

Erster Korinther 12,26

Kurz nachgedacht: 

(Der Impuls enthält u.U. Links zum weitergehenden Verständnis)

Das 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes enthält eine sehr interessante Analogie zur Gemeinde. In den Versen 12-31 vergleicht Paulus die Gemeinde mit einem menschlichen Körper, der viele Glieder hat, von denen jedes seine ganz besondere Funktion hat. Paulus ermahnt uns u.a., dass wir kein Glied überbewerten, aber auch auf kein Glied geringschätzig herabblicken sollen.

Natürlich ist da jede einzelne Gemeinde, auch wir hier in Diedelsheim, aufgerufen, ihre Lehren daraus zu ziehen und sich entsprechend zueinander als Glieder der Ortsgemeinde zu verhalten.

Wichtig scheint mir im Zusammenhang des Textes aber zu sein, dass Paulus hier nicht nur von Ortsgemeinden spricht, sondern er spricht vom Leib Christi. Was aber ist der Leib Christi, für den Christus selbst das Haupt ist? Zwischen der Definition von Ortsgemeinde und dem Organismus des Leibes Christi bestehen Unterschiede. Die menschliche Ortsgemeinde ist sichtbar, geistlich durchmischt und räumlich begrenzt. Sie enthält wiedergeborene, errettete Christen, aber auch Namenschristen, je nach Gemeinde in einem durchaus unterschiedlichen Mischungsverhältnis. Der Leib Christi dagegen ist unsichtbar, geistlich homogen und enthält nur wiedergeborene, errettete Christen weltweit.

Wenn also in diesen Versen vom Leib Christi die Rede ist, so sind sowohl die wiedergeborenen Christen der Ortsgemeinden als auch alle erretteten Christen weltweit angesprochen. Wohl dem, der beiden Gemeindedefinitionen angehört.

Bezugnehmend auf den Impuls von letzter Woche, der Seligpreisung aus Matth. 5,11 und den kurzen Dialog, der als Reaktion im Chat angestoßen wurde, möchte ich in diesem Zusammenhang besonders noch auf den Vers 26 eingehen. Er lautet: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“

Das bedeutet, wie es unserem ganzen Körper schlecht geht, wenn wir an einem Teil erkranken, so sollen wir in der Analogie von Paulus auch Anteil nehmen am Leid und an der Freude unserer Geschwister. Und dies sowohl lokal als auch global.

Weltweit werden wie in Matth. 5.11 beschrieben Christen geschmäht und verfolgt, geschlagen und gefoltert, ja sogar getötet wegen ihres Glaubens an den Herrn Jesus Christus. Ein aktuelles, sehr eindrückliches  Zitat von Open Doors will uns dafür die Augen öffnen:

„Die Verfolgung hat – trotz vereinzelter positiver Entwicklungen – gegenüber 2024 erneut an Intensität zugelegt (2023: 360 Millionen). Weltweit sind 2025 mehr als 380 Millionen Christen in 78 Ländern wegen ihres Glaubens intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex gilt dies sogar in einem sehr hohen bis extremen Maß. Davon betroffen sind 310 Millionen der dort lebenden 741 Millionen Christen.“

Wir sind nun direkt gefragt, als einzelne Christen, aber auch als CVJM und Ortsgemeinde Diedelsheim:

Leidest du / Leiden wir mit den betroffenen Geschwistern mit? Wie äußert sich das? Im persönlichen Gebetsleben, in Verein und Gemeinde und in ganz konkreter, tätiger Unterstützung?

Oder lassen uns als einzelne Christen oder als Verein oder Gemeinde diese Tatsachen aus dem Grund, weil wir uns hier (noch) weit vom Schuss fühlen, relativ kalt?

Wenn wir bei der Beantwortung dieser Fragen ehrlich waren, muss die logische, abschließende Frage lauten: Was bedeuten die Antworten für unseren eigenen Glauben, für unser Leib Christi – Sein?

Denn wenn wir wirklich Leib Christi sein wollen, als einzelne und Gemeinde, dann ist nach der sprachlichen Definition von Paulus das Mitleiden mit den leidenden Christen in Nah und Fern keine optionale Wahlmöglichkeit für oder kein wohlmeinender Appell Jesu an uns, sondern eine ganz natürliche, organische Folge unseres Leib Christi - Seins.

Daher zum Schluss eine etwas provokante Frage zur Reflexion:

Wenn das Leiden unserer verfolgten Geschwister bei uns zumindest kein empathisches Mitleiden auslöst, können wir uns dann mit Recht überhaupt „Leib Christi“ nennen?

Amen

© Jens Völker / Verwendung für gemeindliche oder missionarische Zwecke ausdrücklich erlaubt

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